Ich denke, dass heuer kein Mediziner mehr bestreiten kann, dass das Internet der wichtigste Kanal zum Marketing und zur Patienten- sowie Mitarbeiter-Kommunikation ist. Aber auch Weiterempfehlungen von Patienten sowie (Fach-) Presse sind nach wie vor von Relevanz. Doch selbst wenn eine Praxis empfohlen wird oder ein Experte einen Fachartikel schreibt, am Ende informieren sich die meisten Menschen wieder über das Internet. Deswegen möchte ich hier mal beleuchten, welche Online-Marketing-Kanäle am interessanten sind und welche ich mir eher sparen würde.
Diese Kanäle würde ich mir sparen
Da die meisten Praxen tendenziell überlastet sind, statt zu wenig zu tun zu haben und jeder Arzt kein Geld verschwenden will, möchte ich mit der Frage anfangen, welche Kommunikationskanäle es wirklich bedarf.Dazu möchte ich soziale Medien wie Facebook, Instagram und TikTok voranstellen.
Denn auch wenn diese sich konstanter (Instagram und TikTok) oder weniger (Facebook) Beliebtheit erfreuen, betrachte ich alle sozialen Medien aus Marketing-Sicht eher kritisch:
- Ich habe zwar keine belegbaren Daten gefunden, denke aber, Patienten sind tendenziell nicht gewollt sind, ihre Krankheiten oder gesundheitlichen Sorgen allzu freizügig mit amerikanischen und chinesischen Unternehmen zu teilen. Dazu kommt, dass die meisten Patienten ohne chronische Leiden vermutlich nicht ständig mit Inhalten zur Zahngesundheit etc. versorgt werden wollen. Die daraus resultierenden schlechte Interaktionsraten (Gefällt mir-Angaben, Kommentare, Social-Shares) wird die Reichweite der Ottonormal-Praxis prinzipiell einschränken.
- Da die Halbwertszeit von Social-Media-Beiträgen grundsätzlich sehr kurz ist, aber zugleich alle Informationen korrekt und belegbar sein müssen, kann der Aufwand zur Social-Media-Kommunikation kaum in Relation zu dem erwarteten Output stehen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass ich Social Media für alle Praxen verteufle. Denn Facebook, Instagram und Co können auch durchaus effektiv betrieben werden, wenn die Praxisleitung solche Medien selber liebt und lebt, also die nötigen Ressourcen gleich mitbringt: Personal, Kreativität und Budget. Nur leider sind die wenigsten Praxen darin stark und viele kommunizieren aus der Retorte.
Anstatt 0-8-15-Informationen in den sozialen Medien zu kommunizieren, könnten Arztpraxen dort auch gezielt Werbung schalten – dies erfordert übrigens auch nicht zwingend einen eigenen Kanal mit aktuellen Informationen. Interessant sind hierbei Video Ads, welche idealerweise mit YouTube kombiniert werden können.
Diese Kanäle würde ich intensivieren
Ich gehe jetzt nicht großartig auf die eigene Praxiswebsite ein, da ich der Meinung bin, dass diese absolutes Must-have ist. Ich möchte an dieser Stelle aber erwähnen, dass durch den 2023 stark steigenden Anteil von KI-generierten Texten (durch ChatGPT & Co) eine noch nie dagewesene Inflation von Contents beginnt: Klassische Ratgeber-Inhalte im Blog oder inhaltsfreie Angebotsseiten, die den Patienten keinen Mehrwert im Vergleich zu anderen Websites bringen, werden vermutlich zunehmend an Reichweite einbüßen.
Es geht also stärker darum, hochwertige Inhalte zu bieten, anhand derer sich Patienten möglichst differenziert informieren können. Diese kann man nach wie vor auf der eigenen Website in Textform anbieten, wesentlich interessanter empfinde ich allerdings die Produktion von Bewegtbild:
Denn Videos eignen sich nicht nur, um Informationen unterhaltsam und authentisch zu kommunizieren, lassen sich ressourcenschonend in der eigenen Website einbetten, sondern sind auch ideal zum Teilen oder Bewerben auf YouTube sowie ggf. in sozialen Medien. Ferner existiert bis dato keine KI, um wirklich gute Videos zu generieren. Das Risiko mit Bewegdbild austauschbar zu werden, ist also geringer, als mit klassischen Texten.
Obwohl ich das größte Potenzial bei Videos sehe, möchte ich an der Stelle auch betonen, dass dafür eine gewisse „Telegenität“ und Fähigkeiten vorausgesetzt ist, komplexe Fachinformationen einfach verständlich und unterhaltsam zu vermitteln. Videos sind also nicht jedermanns Sache. Da Videos aber ohnehin knackig sein sollten, kommt/ verweist man zur differenzierten Behandlung eines Themas wieder zurück auf die eigene Website. Dort aber, wie zuvor erwähnt, mit möglichst hochwertigen, relevanten Inhalten, also mit sauber gewählten Worten anstatt durch Retorte.
Nicht zu unterschätzen
Abgesehen von den bereits genannten Kanälen werden meines Erachtens klassische Mailings häufig noch sehr stiefmütterlich eingesetzt: Das höchste der Gefühle ist meist eine unpersönliche Postkarte oder Mail zur Erinnerung an die nächste Vorsorgeuntersuchung, Impfung, Werbeaktion oder den anstehenden Termin. Bei vielen Patienten wird sowas sofort im Papierkorb landen.
Was würde aber beispielsweise dagegen sprechen, Patienten anhand ihrer bisherigen Historie per Post, SMS oder E-Mail persönlich anzuschreiben und zu fragen, wie es ihnen nach einer Behandlung geht oder wie sie sich auf eine Behandlung vorbereiten können? Zur Nachbereitung könnte man ein Gespräch zum Austausch oder ein Feedback-Formular anbieten. Egal, ob die Patienten dann den persönlichen Dialog oder eine (anonyme) Antwort wünschen, fühlen sie sich dann weniger als eine Nummer, sondern individuell wahrgenommen. Das Resultat davon sind dann meist eine bessere Patientenbindung und auch positivere Online-Bewertungen. Und bestehende Patienten zu binden sowie zu Empfehlungsgebern zu machen ist meist preiswerter als Patientenakquise – egal über welchen Online- oder Offline-Kanal.
Praktischerweise wird solche eine Kommunikation nicht im Einzelnen mit jedem Patienten durchgespielt, das wäre zu zeitintensiv. Aber mit Tools wie der Arzt-Patienten-Plattform von Jameda ließen sich solche Nachrichten mit Platzhaltern vorbereiten und automatisiert ausspielen. Das Stichwort hierzu heißt Marketing-Automation. Dadurch müsste man nur noch das Folge-Feedback verarbeiten. Das kostet zwar immer noch Zeit, diese ist aber deutlich effektiver und dankbarer eingesetzt.
Erfahrungsgemäß funktionieren auch nach wie vor Suchmaschinenoptimierung (kurz: SEO) sowie Werbeanzeigen in Suchmaschinen wie Google ausgezeichnet, um neue Patienten zu gewinnen.
Dies setzt aber einerseits die bereits erwähnte kundenzentrierte Website voraus, andererseits bedarf es dafür zwingend entsprechender Reputation, um gegenüber anderen Praxen zu überzeugen – denn Online ist praktisch jedes Angebot vergleichbar und austauschbar, wenn jemand anderes besser ist.
Zu Guter letzt möchte ich noch lokale Marketing-Maßnahmen erwähnen: Auch bei Plakaten oder in Zeitschriften bzw. Zeitungen kann man die eigene Praxis bekannter machen und bei Bestandspatienten zurück in den Kopf bringen. Diese Maßnahmen sind zwar meist mit einigen Kosten verbunden, dafür erhält man häufig auch thematische Exklusivität. Sprich, man wird nicht im selben Atemzug zur Konkurrenz genannt. Aber auch hier würde ich mir oft mehr Kreativität und weniger Retorte wünschen: Eine Zahnarzt-Anzeige zum perfekten Lächeln ist heutzutage völlig abgegriffen und zieht kaum mehr.
Fazit
Am Ende muss jede(r) selbst entscheiden, welche Maßnahmen zum Praxismarketing er/sie ergreifen will. Wichtig dabei ist „lediglich“, dass man die Kommunikation und Werbung nicht hinrotzt, sondern mit einer gewissen Professionalität und Leidenschaft sowie langfristigen Orientierung betreibt. Wer das nicht in seiner eigenen Praxis bewerkstelligen kann oder will, dem ist eine professionelle Agentur zum Praxismarketing dringend zu empfehlen.
Nachdem ich bereits die Online-Bewertungen von Patienten und eine gewisse Passion bei der Online-Kommunikation angesprochen habe, möchte ich auch dringend erwähnen, dass Arbeitgeber-Bewertungen eine immer stärkere Rolle spielen, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Daher ist es unumgänglich, sein Team mit in die Kommunikation einzubinden und ebenso zu begeistern wie die Patienten. Praktischer Nebeneffekt: Fachkräfte werden dadurch (mit einge-) bunden. Dies setzt aber voraus, dass man als MedizinerIn auch eine gewisse Ausgeglichenheit mitbringt oder sich dazu von Experten coachen lässt.